9. Der Alltag im Lager

Nach den Weisungen der Quartiermeister wurde das Lager aufgeschlagen, wobei die einzelnen Fähnlein ihren Standplatz durch
Verlosung erhielten. Nach Möglichkeit wählte man vorteilhafte Plätze, wo sich Wasser, Feuerholz und Fourage fanden, und die
wenigstens teilweise durch einen Fluß, Morast oder durch unwegsames Gelände geschützt wurden. Die Befehlshaber wohnten in
Zelten, die Knechte in der Regel in Hütten, die sie auf einem Holzgerüst mit einem Belag von Stroh, Reisig oder Grassoden
errichteten. Zwischen den Zelten und Hütten gab es für den Verkehr Straßen und für jedes Fähnlein einen besonderen
Sammelplatz, den Lärmplatz.

Nun begann für die Landsknechte ein im ganzen sorgloses Leben, vorausgesetzt, daß sie ihren Sold erhielten. Dieser betrug
bekanntlich 4 Gulden pro Monat, der Gulden = 15 Batzen = 60 Kreuzer = 210 Pfennige. Davon hatten sie nicht nur ihre Kleidung
und Ausrüstung, sondern auch den Lebensunterhalt für sich, ihr angetrautes oder nicht angetrautes Weib, eventuelle Kinder und
den Buben, den Soldatendiener, zu bestreiten. Das war nicht leicht, wenn wir einige Preise für Lebensmittel und sonstigen
Bedarf betrachten:

1 Pfund Fleisch je nach Art und Qualität 4 bis 6 Pfennig;
1 Pfund Käse je nach Art zwischen 2 Batzen und 10 Kreuzer;
1 Pfund Speck 6 Kreuzer;
1 Pfund Butter 1 Batzen;
1 Pfund Salz 2 Kreuzer;
1 Pfund gute, weiße Seife 6 Kreuzer;
ein Paar Schuhe mit einfacher Sohle 5, mit Doppelsohle 7 Batzen;
ein wollenes Barett in Schwarz 8 Batzen“.

Pro Mann rechnete man als Portion täglich zwei Pfund Brot und ein Pfund Frischfleisch. Statt Frischfleisch konnte auch Fisch,
Butter oder Käse gegeben werden. Einem Pfund Fleisch galten als gleichwertig zwei Heringe, und eine Henne entsprach 1,5 Pfund
Fleisch.

Allerdings werden immer wieder Klagen laut, daß nicht nur im Feindesland Requirierungen und Plünderungen stattfanden, und
besonders die Soldatenbuben, die Diener, waren emsig bemüht, in den umliegenden Dörfern kostenlos für eine Aufbesserung der
Küche zu sorgen.

Die Zubereitung der Speisen besorgten, wenn dies nicht die Frauen der Knechte taten, die Lagerköche, die Sudler und
Sudlerinnen, die das Heer im Troß begleiteten. Sie hatten im Lager, ebenso wie die Marketender, einen eigenen Platz.

Daß die Disziplin im Lager nur mit größter Strenge aufrechterhalten werden konnte, schildert Fronsperger sehr drastisch über
das Vorgehen des Rumormeisters gegen die Huren und Buben im Troß:

„Wo etwan der vil in einer Herberg oder Losement bey einander ligen/bleiben sie selten eins/…/so hat er ein vergleicher/ ist
ungefährlich eins Arms lang/darmit hat er gewalt von jren Herren/…./sie zu straffen. Solche Huren vn Buben werden alsdan
sonst auch one das/darneben für wol essen vn trincken/mechtig vbel geschlagen/ehe sie solches jres Ampts recht gewonen/der
gutthaten sie wenig geniessen/welche jnen dan zu vor versproche/man muß aber dem Thuch also thun/es verleuret sonst die
farb/würden der faulen Schwengel vnd Huren gar zu viel.

Trotz der üblen Behandlung muß also der Zulauf zum Troß der Landsknechte sehr bedeutend und anziehend gewesen sein.

Für den Bereich des Regimentes bestand Marktzwang, also Verbot des Fürkaufs, und daher für die Händler und Käufer die
grundsätzliche Verpflichtung, die mitgebrachten Waren erst im Lager selbst feilzuhalten bzw. nur hier zu erwerben. Es war
Aufgabe des Profosen, die Preisfestsetzung vorzunehmen, er mußte, daher die ins Lager gebrachten Waren prüfen und begutachten.
Dies wurde schon frühzeitig in den Artikelsbriefen festgelegt. Der Profos hatte daher die heikle Aufgabe, sowohl die
Interessen der Knechte als auch die der Händler zu berücksichtigen, da von seinem Geschick leicht der Lagerfrieden abhängen
konnte. Von seinem Schätzamt flossen ihm auch Gebühren zu, etwa von jedem Faß Wein ein bestimmtes Quantum, von jedem Stück
Vieh, das geschlachtet wurde, die Zunge oder ein Standgeld von den Marketendern und Garköchen. Der Profos hatte auch für die
Einhaltung der Sperrstunde im Lager zu sorgen, denn nach dem Aufziehen der Nachtwache durfte weder Wein noch Bier mehr
ausgeschenkt werden. Er war auch der Organisator und Leiter der Lagerfeuerwehr.

Da es im Interesse des Heeres lag, eine möglichst große Zahl von Händlern an den Lagermarkt zu ziehen, wurden schon frühzeitig
für sie Geleit- und Schutzgarantien ausgestellt, wie in der Tiroler Feldordnung von 1499:

„es soll auch ein jeder mit seiner Wär sicher, auch zoll- und mauttrei in das und aus dem Felde ohn Beschwernus manniglichs zu
freiem Kauf zu fuhren befried und begleit sein“.

Dies geht auf die Idee des mittelalterlichen Marktfriedens zurück, der den Marktbesucher schützte und hier auf militärische
Bedürtnisse ausgedehnt wurde.

Lagerleben

Das Bild vom Lagerleben zeigt höchst anschaulich, wie sich die Knechte dort die dienstfreie Zeit vertrieben. Mit Spielen und
Trinken, wobei es dann zu handgreiflichen und nicht selten zu blutigen Auseinandersetzungen kam. Alle Bestimmungen in den
beschworenen Artikelsbriefen wie z.B. „Es sol auch keiner dem anderen auff dem Spiel nichts auffschlagen/noch weiter denn er
bar gelt hat mit dem andern spielen/ … Es sol sich auch ein jeder deß zutrinckens/vnd ander mehr sündtlicher laster massen“
nutzten nichts. Der entwurzelte Kriegsknecht, dessen Heimat Regiment und Fähnlein waren, suchte im Lager vom Leben, das morgen
schon zu Ende sein konnte, seinen Anteil noch zu erhaschen.

Ihre Obersten gingen ihnen mit entsprechendem Beispiel voran. So erwähnt Schertlin von Burtenbach in seiner
Lebensbeschreibung:

„gewann mit spielen in demselben ersten jar zu Augspurg 4000 fl …… Es hat mir mein son in muterleib mit wetten gewonnen
drey seidene wammes von Fuger, Welser vnd andern, sie haben gwett, es werde eine Tochter“.

So war es kein Wunder, wenn nach einem Spruch ein Landsknecht drei Kriegszüge tun müsse, um zu Vermögen zu kommen. Vom ersten
Zug muß er mit zerrissenen Kleidern nach Hause kommen. Vom zweiten mit einer Narbe auf der Backe, dem Landsknechtszeichen. Vom
dritten aber auf einem hübschen Gaul und einen Beutel voll Geld mitbringen.

Da die Knechte im Lager viel freie Zeit hatten und gerade im Anfang des 16. Jahrhunderts sich das Leben gern im Volkslied
widerspiegelte, entstanden auch viele Landsknechtlieder, von denen eines Maximillans Landsknechtorden und das andere die
Belagerung von Pavia behandelt. Diese Volkslieder sind auch stets als politische Lieder und Propagandalieder zu verstehen. die
aus gegebenem Anlaß entstanden und durch die Knechte weit verbreitet wurden.

Die phantastisch-bizarre Kleidung der Landsknechte wurde von den zeitgenössischen Künstlern häufig dargestellt. Denken wir nur
an die Bilder von Jost Amman, Daniel Hopfner, Lucas von Leyden, Friedrich Brun oder an die Künstler aus Dürers Schule, Beham,
Bink und Altorfer.

Da jeder einzelne Knecht in Stoff, Form und Farbe unbeschränkte Wahl für seine Kleidung hatte, entwickelte sich ein ungeheurer
Farben- und Formenreichtum. Zuerst trugen die Knechte, wie die anderen Zeitgenossen, enge Ärmel und fest anliegende
Beinkleider. Um jedoch beim Kampf und beim Ersteigen der Mauern größere Bewegungsfreiheit zu haben, wurden Autschlitzungen an
Knie, Schultern und Ellenbogen vorgenommen, wobei man auch häufig die durch das lange Tragen der Kleidung entstandenen
naturlichen Risse erweiterte und ausstaffierte. Später wurden Aufschlitzungen auch dort angebracht, wo sie gar nicht notwendig
waren, und sie erhielten die verschiedensten Formen, wie Vierecke, Sterne, Blätter und Blumen. Die Mode ging dann so weit, die
Schlitze bei jedem Ärmel und jedem Bein mit einer anderen Farbe zu unterlegen, wozu möglichst schreiende Farben gewählt
wurden. Gegen die Putzsucht der weltlichen Stände und der Frauen eiferten Beschlüsse der Reichstage und Reichsstände. Den
Landsknechten wurde jedoch am Reichstag zu Augsburg 1530 gestattet, sich nach Belieben zu kleiden.

Maximilian I. entschuldigte die bunte, im bewußten Gegensatz zu der bürgerlichen Kleidung stehende Landsknechtstracht damit,
daß man den Leuten, die täglich dem Tod ins Auge sehen, das bißchen Freude lassen müsse.

Schließlich entstanden durch die immer größer werdenden Schlitze und Unterlagen die Pluderhosen, die schon Frauenröcken
glichen.

Als Kopfbedeckung dienten Barette, die um 1510 mit einer derartigen Fülle von Federbüschen besetzt waren, daß der Kopf wie mit
einem Heiligenschein umrahmt war. So leicht und duftig dieser, Federschmuck auch auf den Bildern dargestellt wurde, sah er in
Wirklichkeit ja nicht aus, denn Straußenfedern konnten sich nur die höchsten Offiziere leisten, der Federschmuck des gemeinen
Knechtes bestand aus federartig zusammengesetzten Wollfäden.

Die Schuhe, die ursprünglich breit und bequem waren und ‚Bärenhäuter’ oder ‚Kuhmäuler’ genannt wurden, paßten sich dann der
herrschenden Zeitmode an und wurden spitz und verziert.

Landsknecht

Die Auswüchse der Landsknechtskleidung gingen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts parallel mit dem Niedergang des
Landsknechtswesens selbst.